25. April 2024 | Autoren: André Nimtz & Maren Fichtner | Lesezeit: ca. 15 Minuten
Connected Work in der Produktion:
Gibt es das überhaupt?
„Hannes macht heut‘ Home Office.“ – ein Satz, den es in der Produktionsumgebung nicht gibt und gar nicht geben kann. Während sich insbesondere zu Zeiten von Corona neue Formen der Zusammenarbeit im Büro-Umfeld durchgesetzt haben, bleibt die Produktion ein vor-Ort-Job.
Doch das schließt bestimmte Standards des vernetzten Arbeitens beziehungsweise der Connected Work nicht aus. Vier Aspekte passen perfekt in Ihre Produktionshalle:
Hybrid
Der Mitarbeitende wechselt nicht zwischen Produktionshalle und Home Office, sondern digital zwischen Standorten. Connected Work bedeutet hier, dass eine standortübergreifende digitale Zusammenarbeit möglich wird.
Kollaborativ
Mit der richtigen Datengrundlage und den passenden Tools sind Abteilungen untereinander vernetzt. Der Werker an der Maschine genießt neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen.
Agil
Connected Work bedeutet auch, sich regelmäßig auszutauschen und mehr Transparenz zu schaffen. Das ermöglicht eine flexiblere und agilere Arbeitsweise bei besserer Planbarkeit.
Eigenverantwortlich
Durch die Möglichkeiten der digitalen Verbindung zu Daten und Mitarbeitenden kann der Connected Worker mit einem höheren Maß an Eigenverantwortlichkeit arbeiten.
Im Produktionsumfeld etabliert sich Connected Work nicht vorrangig als Handlungsprinzip, sondern als Person – in Form des Connected Workers.
Der Connected Worker im Mittelpunkt der Produktion
Automatisierung, Digitalisierung, KI: All das wird den Werker nicht aus dem Mittelpunkt der Produktion vertreiben. Vielmehr wird der Connected Worker zum unverzichtbaren Bindeglied. Technologie befähigt ihn, funktionsspezifische Silos aufzubrechen und sich mit seinem Arbeitsumfeld optimal zu vernetzen.
Dank Technologien wie Augmented Reality oder dem Industrial Internet of Things integriert sich der Connected Worker nahtlos in digitalisierte Unternehmensprozesse. Smart Devices ermöglichen den zeitunabhängigen Zugriff auf alle relevanten Informationen und eröffnen direkte Feedback-Möglichkeiten.
Aber auch bereits etablierte Technologien wie der Rechner am Arbeitsplatz werden im Zuge der Digitalisierung zu mächtigen interaktiven Werkzeugen des Connected Workers.
Der Connected Worker und seine 5 Arten der Vernetzung
In der digitalisierten Produktion der Zukunft ist der Connected Worker organisatorisch, prozessual und technologisch perfekt vernetzt.
Fünf Arten der Vernetzung lassen sich dabei unterscheiden:
Vernetzung mit anderen Menschen
Der Connected Worker ist mit Kolleginnen und Kollegen via Chat oder Messenger verbunden. Im Kontakt zum Kunden oder zum eigenen Support kommen Tools wie Remote Collaboration und AR zum Einsatz.
Vernetzung mit dem Prozess
Prozesse werden transparent digital abgebildet. Der Connected Worker erhält alle Informationen zum Prozess in digitaler Form, zum Beispiel als digitale Arbeitsanweisung.
Vernetzung mit dem Produkt
Auch das zu fertigende Produkt steht in allen relevanten Details digital zur Verfügung. Der Werker hat stets direkten digitalen Zugriff auf Datenblätter, CAD-Zeichnungen, etc.
Vernetzung mit der eigenen Aufgabe
Connected Work im Produktionsumfeld fördert die Autonomie des Connected Workers. Dank einer Vielzahl an Tools und digitalen Möglichkeiten gewinnt der Werker hohe organisatorische Freiheit.
Vernetzung mit Informationen
In der digitalisierten Produktion stehen dem Werker alle für ihn freigegebenen Daten zur Verfügung. Er erhält bei Bedarf einen Überblick über Ist-Zustände oder Zugriff auf Echtzeitdaten.
Herausforderungen auf dem Weg zur Connected Work
Das klingt jetzt schon ein wenig nach dem Arbeitsparadies auf Erden, aber ganz so einfach wird ein Werker dann doch nicht zu einem Connected Worker. Im Weg stehen oftmals die ganz klassischen Hürden und Herausforderung der Digitalisierung, die Sie zunächst aus der Bahn schaffen müssen. Dazu gehören:
- Wissenssilos / verstreute Informationen
- Papierstapel / ausgedruckte Dokumente
- Laufwege zur Informationsbeschaffung
- Problemlösung per Zuruf / fehlende Nachverfolgbarkeit
- manuelle Dokumentation / Medienbrüche
- Interpretationsspielraum bei Informationen
- komplexer werdende Prozesse
- Fachkräftemangel
- Abgang von Wissen mit Renteneintritt
Connected Worker Platform: Die Antwort auf alle Vernetzungsfragen?
Was ist eine Connected Worker Platform?
Wenn Connected Work die Disziplin und der Connected Worker der Akteur ist, dann ist die Connected Worker Platform der technologische Unterbau. Sie soll in erster Linie das machen, was ERP, MES und Co. nicht leisten: Sie geht den letzten Schritt zum Werker.
Wichtig ist dabei zu verstehen, dass es sich dabei um eine kollaborative Plattform handelt, nicht um eine Integrationsplattform, wie Sie sie in IoT-Plattformen wie ThingWorx, AWS IoT oder Cumulocity finden. Eine gute Connected Worker Platform bietet dementsprechend alles, was der Werker zum vernetzten Arbeiten benötigt.
Was ist das Ziel einer Connected Worker Platform?
Eine Connected Worker Platform integriert den Menschen vollumfänglich in die digitalisierte Produktion und steigert seine Effizienz. Das gelingt, indem sie ihm die richtigen Informationen zu seinem Arbeitsauftrag zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung stellt. Zugleich hat der Connected Worker die Möglichkeit, eigenes Know-how zu dokumentieren und dadurch die Prozesse zu optimieren. Kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP) können somit umgesetzt und gefördert werden.
Der Werker wird durchgängig mit Kolleginen und Kollegen, seinen Aufgaben, dem Prozess, allen nötigen Informationen und dem zu fertigenden Produkt vernetzt. Das steigert Prozesssicherheit, Arbeitsqualität und Produktivität.
Woraus besteht eine Connected Worker Platform typischerweise?
Vereinfacht können wir uns eine Connected Worker Platform als eine große Software-Suite vorstellen, die zahlreiche Funktionen in sich vereint oder aber durch einfache Anbindung verfügbar macht.
Eine gute Connected Worker Platform versteht sich nahtlos mit ihrer OT und kommuniziert mit ERP, MES und angebundenen Assets. Sie bietet das Handwerkzeug für die tägliche Arbeit in Form digitaler Arbeitsanweisungen und Checklisten sowie aller dazugehörigen Informationen. Sie eröffnet einfache Kommunikationswege per Chat oder Feedbackfunktion und liefert Benachrichtigen zu Wartungen oder Störfällen.
Auch Management-Funktionen können zum Repertoire einer Connected Worker Platform gehören. Dazu gehören zum Beispiel Shopfloormanagement, Wissensmanagement und Dokumentenbibliotheken, Issue-Management und Schulungs- und Kompetenzmanagement.
Welche Anwendungsfälle deckt eine Connected Worker Platform unter anderem ab?*
Mitarbeiterführung
Bereiche: Montage, Inbetriebnahme, Instandhaltung und Wartung
Aufgabe: Die Mitarbeiterführung durch Produktionsprozesse ist gewissermaßen die Kernaufgabe der Connected Worker Platform. Hierfür liefert sie die nötigen Arbeitsanweisungen und Standard Operating Procedures (SOPs).
Qualität und Compliance
Bereiche: Qualitätssicherung, Wartung
Aufgabe: Kann eine Plattform Daten verfügbar machen, Mitarbeitende anleiten und Feedback aufnehmen, dann kann die gleiche Funktionalität leicht auch für Audits, Incident Management oder die Ausführung von Präventivmaßnahmen genutzt werden. Gesammelte Daten sind für Reportings und Nachweisführung auswertbar.
Training und Qualifikation
Bereiche: Onboarding
Aufgabe: Während der Arbeit wird das Prozesswissen des Connected Workers entweder automatisch oder durch Feedbackfunktionen gesichert. Dieses Wissen kann genutzt werden, um neue Mitarbeitende anzulernen oder Wissen on-demand verfügbar zu machen.
Kollaboration
Bereiche: Wartung, Montage
Aufgaben: Die Kommunikationstools einer Connected Worker Platform ermöglichen die direkte Zusammenarbeit von Werkern über Abteilungen oder Standort hinweg. Mit weiterführenden Technologien wie AR lassen sich sogar Remote-Services umsetzen.
Kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVP)
Bereiche: allgemeine Unternehmensprozesse, produktionsnahe Prozesse, Audits
Aufgaben: Die Connected Worker Platform schafft die Basis dafür, Erfahrungswissen direkt im Prozess einzubringen. Zeitnahes Feedback ermöglicht eine zeitnahe Prozessoptimierung. Es entsteht ein stetiger Wissenstansfer. Zudem schafft die Plattform Transparenz über die Umsetzung der Optimierungsmaßnahmen.
Welchen Nutzen bringt eine Connected Worker Platform?
Ignorieren wir einmal kurz das Modewort „Connected Worker“ und schauen auf den konkreten Nutzen, den eine solche Plattform bringt. Mit ihr begegnen Sie vielem von dem, was Sie als Herausforderungen der Digitalisierung weiter oben in diesem Artikel bereits gelesen haben:
Effizienz & Produktivität steigern
- Vermeidung von Fehlern
- effektive Unterstützung der Mitarbeitenden in komplexer werdenden Prozessen
- gesteigerte Produktivität
- Steigerung der Audit-Sicherheit
Einsparpotenziale
nutzen
- kürzere Reaktionszeiten
- Einsparung von Laufwegen
- flexiblere Einsatzplanung
- Eliminierung von Papierkosten
Wissen sichern & weitergeben
- Wissenstransfer zwischen neuen jungen Talenten und erfahrenen Wissensträgern
- nachhaltige Sicherung von Prozesswissen
Transparenz
schaffen
- Fortschritts-Monitoring
- Entscheidungs-Findung auf Basis von Echtzeitdaten
- neue Technologie (wie AR) bieten neue Einblicke in Informationen
Attraktivität der Arbeit steigern
- gesteigerte Attraktivität des Arbeitsplatzes / Arbeitsumfelds
- verbesserte Kommunikation / Förderung der Zusammenarbeit
Gretchenfrage: Werkerassistenzsystem oder Connected Worker Platform?
Jetzt, da Sie sich Funktionen, Use Cases und Nutzen einer Connected Worker Platform etwas näher angeschaut haben, fällt Ihnen da etwas auf? Es gibt ein anderes etabliertes Konzept auf dem Markt für Industrielösungen, das ganz ähnlich gelagert ist: Werkerassistenzsysteme. Bekommen Sie eine Connected Worker Platform, wenn Sie ein Werkerassistenzsystem einführen? Sagen wir: Jein. Oder: Es kommt drauf an.
Prinzipiell vernetzt ein Werkerassistenzsystem den Menschen genau so wie eine Connected Worker Platform mit Prozess, Produkt und den eigenen Aufgaben. Ein Werkerassistenzsystem liefert digitale Arbeitsanweisungen und Checklisten, stellt produkt- und prozessrelevante Informationen digital zur Verfügung und ermöglicht die eigenständige Abarbeitung von Aufgaben dank gezielter Führung durch den Prozess.
Der Knackpunkt ist aber die Flexibilität. Ist das Werkerassistenzsystem flexibel genug für die unterschiedlichsten Szenarien? Verfügt es über offene Schnittstellen, um Systeme und Assets anzubinden? Bringt es Kommunkationstools oder Möglichkeiten für deren Einbindung mit? Wenn ja, dann kann das Werkerassistenzsystem durchaus mit einer Connected Worker Platform gleichgesetzt werden.
Das sollten Sie bei der Einführung einer Connected Worker Platform beachten
Voraussetzungen
Damit die neue Lösung in Ihrem Unternehmen zu einem Erfolg wird, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Interne Prozesse passen danach oft nicht mehr und müssen optimiert beziehungsweise auf das Connected-Worker-Konzept angepasst werden. Wichtig ist zudem, dass Vernetzung und Digitalisierung vom Management vorgelebt werden. Aufklären, erklären und anleiten heißt die Devise.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Schulung der Mitarbeitenden im neuen Tool mit dem Ziel, nicht nur eine neue Software vorzugeben, sondern das entsprechende Mindset bei ihnen zu schaffen. Das heißt ganz konkret: Begeistern Sie Ihre Mitarbeitenden für neue Tools und neue Aufgaben. Schaffen Sie die Bereitschaft, Neues zu lernen und digitale Skills zu entwickeln.
Oftmals kommt ein Hardware-Invest zur Software-Einführung hinzu. Befähigen Sie Ihre Mitarbeitenden mit den entsprechenden Endgeräten, ihren (neuen) Aufgaben als Connected Worker nachzugehen.
Zu guter Letzt: Seien Sie sich der Herausforderungen von vornherein bewusst. Eine Vernetzung Ihrer Mitarbeitenden im Shopfloor kann Implementierungs- und Softwarepflegekosten nach sich ziehen. Auch die Schulung kostet Zeit und Geld. Und natürlich setzt eine Vernetzung die Verfügbarkeit eines entsprechenden Netzwerks im Shopfloor voraus. All das sind Punkte, die bei der Betrachtung Ihres ROI eine wesentliche Rolle spielen müssen.
Vorgehen
Eine Connected Worker Platform ist kein Allheilmittel und kann durchaus auch die falsche Lösung sein. Daher sollten Sie im Vorfeld herausfinden, ob eine solche Plattform auch wirklich den angestrebten Nutzen bringt und sich in vier Schritten an Ihr Ziel heranarbeiten.
Schritt 1: Informieren
Ganz wichtig ist die Klarheit über Ihre Ziele. Definieren Sie sie im Vorfeld und recherchieren Sie mögliche Lösungen und Anbieter. Ist eine Connected Worker Platform noch immer eine Option? Dann geht’s weiter mit …
Schritt 2: Kennenlernen
Sprechen Sie verschiedene Lösungsanbieter an und lassen Sie sich die jeweiligen Produkte im Detail vorstellen. Stellen Sie ganz konkrete Fragen in Bezug auf Ihre Ziele.
Schritt 3: Ausprobieren
Viele Anbieter stellen Testumgebungen zur Verfügung. Nutzen Sie dieses Angebot und probieren Sie die Lösungen aus – unbedingt mit den finalen Stakeholdern, also den Mitarbeitenden, die damit arbeiten sollen und die Funktionen adäquat bewerten können.
Schritt 4: Profitieren
Wenn eine Lösung Ihre Bedarfe erfüllt, dann steht einer Einführung in Ihrem Unternehmen nichts mehr im Wege.
Fazit
Auch in der Produktion kann Connected Work Einzug halten – in Form des Connected Workers. Das Mittel der Wahl ist hier eine passende Plattform, die Mitarbeitende mit ihrer Aufgabe, dem Prozess und dem Produkt vernetzt.
Diese Plattform kann durchaus ein Werkerassistenzsystem sein, sofern das System flexibel genug ist. Bringt es offene Schnittstellen und Möglichkeiten für die Einbindung verschiedenster Systeme und Assets mit, dann muss nicht „Connected Worker Plattform“ draufstehen. Wichtig ist die Funktionalität, weniger das Label.
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Aus dem Inhalt:
- Überblick über Betriebs- und Geschäftsmodelle
- Wichtige Aspekte bei der Integration
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* nach Gartner